Robert Schumann 1810 - 1856
Einfach - Sehr rasch und leicht - Hastig -
Einfach und zart - Intermezzo - Innig -
Sehr lebhaft - Mit einigem Pomp - Zum Beschluss
Ludwig van Beethoven 1770 - 1827
Allegro assai
Andante con moto
Allegro ma non troppo
Jonathan Wagner, Klavier
- Pause -
Joseph Haydn 1732 – 1809
Sonate Es-Dur Hob. XVI/52
Allegro moderato
Adagio
Finale Presto
Frédéric Chopin 1810 - 1849
Scherzo Nr. 1 h-Moll op. 20
Presto con fuoco – Molto più lento – Risoluto e sempre più animato
Alexander Skrjabin 1872 - 1915
Klaviersonate Nr. 5 op. 53
Allegro. Impetuoso. Con Stravaganza
Sebastian Rauch, Klavier
Jonathan Wagner wurde im Februar 2007 in Tübingen geboren. Im Alter von drei Jahren erhielt er seinen ersten Klavierunterricht bei Michael Kuhn. Im
Jahr 2015 wechselte Jonathan zu Romuald Noll an die Stuttgarter Musikschule und wurde 2017 in die Begabtenförderung und studienvorbereitende Klasse aufgenommen. Seit mehreren Jahren nimmt er zudem
Unterricht in Musiktheorie bei Holger Spegg und Philipp Vandré.
Jonathan konnte sowohl national als auch international zahlreiche Preise gewinnen. Unter anderem war er 2018 mehrfacher Preisträger beim Internationalen Münchner Klavierpodium. 2019 und 2021 errang
er einen 1.Preis beim Tonkünstlerwettbewerb Baden-Württemberg. 2021 erspielte er sich den 3.Preis beim Internationalen Bachwettbewerb Köthen. Ein Jahr später errang er einen von drei 1.Preisen bei
der King's Peak International Music Competition und 2023 einen 1.Preis ex aequo beim Internationalen Klavierwettbewerb Leipzig.
Seit 2013 ist Jonathan regelmäßig 1.Preisträger beim Wettbewerb Jugend Musiziert, sowohl auf Landes- als auch auf Bundesebene. 2021 erhielt er zusammen mit Maria Schlumberger-Ruiz einen 2.Bundespreis
in der Kategorie Duo Klavier und ein Streichinstrument. 2023 wurde er mit einem 2. Bundespreis in der Wertung Klavier solo ausgezeichnet. Im Mai 2024 erhielt er zusammen mit Elisabeth Gühring einen
1.Bundespreis in der Kategorie Duo Klavier und ein Streichinstrument.
Seit über zehn Jahren tritt Jonathan bei Konzerten auf, unter anderem in der Stuttgarter Liederhalle, in der Stuttgarter Hochschule für Musik und Darstellende Kunst,
im Weißen Saal des Neuen Schlosses, im Augustinum und im Eurythmeum Stuttgart, in den Kreissparkassen Böblingen, Sindelfingen, Herrenberg und Esslingen - sowie in der St. Agnes-Kirche in Köthen. Im
Alter von zehn Jahren wurde Jonathan mit dem Steinway-Sonderpreis Stuttgart ausgezeichnet. 2024 ist Jonathan Stipendiat des Jungen Klavierpodiums Werner Haas.
Neben dem Klavier spielt Jonathan seit seinem vierten Lebensjahr auch Violoncello und nimmt Unterricht bei Gabi Scheungraber. Auch auf diesem Instrument wurde er mit Preisen auf Landes- und
Bundesebene ausgezeichnet. Mit Begeisterung spielt in verschiedensten Formationen wie Duo, Trio und Orchester, singt in Chören und komponiert. Auch interessiert ihn das Studieren und Analysieren von
Partituren.
Neben seinem Interesse für Musik beschäftigt sich Jonathan mit Politik, Geschichte und Literatur, spielt gerne Fußball und ist als Schwimmer und Trainer in der DLRG aktiv. Er absolviert in diesem
Schuljahr sein Abitur am Albert-Einstein-Gymnasium in Böblingen.
Sebastian Rauch wurde 2006 in Louisville, Kentucky, geboren. Nach dem Umzug der Familie nach Deutschland erhielt er im Alter von sechs Jahren seinen ersten Klavierunterricht von Heidi Endress und Friederike Mandler an der Jugendmusikschule Göppingen. Seit 2021 ist er Schüler von Alexandra Neumann an der Stuttgarter Musikschule und wurde dort in die Studienvorbereitende Klasse aufgenommen. Zurzeit besucht er das Mörike-Gymnasium in Göppingen.
Sebastian nahm an mehreren Meisterkursen teil, u. a. bei Matthias Kirschnereit, Ruben
Dalibaltayan, Sontraud Speidel und Claudio Martínez Mehner. Er ist Preisträger nationaler und internationaler Wettbewerbe: 2023 erhielt er
einen 1.Preis und den Sonderpreis für die beste Interpretation eines Stücks der klassischen Moderne im Bundeswettbewerb von Jugend Musiziert. Er gewann den 3.Preis beim Bach-Wettbewerb für junge
Klaviertalente in Köthen und erspielte sich den 3.Preis bei der Internationalen Piano Competition for Young Pianists Kronberg. 2022 gewann er einen 1.Preis beim Carl-Schröder Wettbewerb in Sondershausen, einen 1.Preis und 3rd
ultimate winner bei The Muse.
Beim Bundeswettbewerb Jugend musiziert 2022 erhielt er mit seinem Klaviertrio einen 1. Bundespreis und den Karl-Heinz Kämmerling Förderpreis, gewann bei EUPLAYY einen 1.Preis, den audience Prize und wurde 2nd ultimate winner. Ebenfalls 2022 erhielt er den 3.Preis bei der Steinway & Sons Piano Competition in Hamburg. 2021 gewann er den Grand Prix beim Badener Klavieretüdenwettbewerb, den 1.Preis bei der World Open Online Competition und den 2.Preis bei Virtuosi per Musica di Pianoforte in Ústi nad Labem, Tschechien.
Als Pianist spielte er unter anderem in der Stuttgarter Liederhalle, im Weißen Saal des Neuen Schlosses, in der Clinker Lounge Berlin, der Laeiszhalle Hamburg, der St. Agnes Kirche in Köthen, im Nordböhmischen Opern- und Balletttheater in Ústi nad Labem und im Kaisersaal Füssen beim Festival vielsaitig. Im Juni 2023 debütierte Sebastian als Solist mit dem Jugendsinfonieorchester der Stuttgarter Musikschule in der Liederhalle Stuttgart und auf der Konzertreise des Orchesters nach Tschechien mit dem Klavierkonzert Nr.1 von Felix Mendelssohn-Bartholdy.
Sebastian ist Stipendiat der Deutschen Stiftung Musikleben, der Jürgen Ponto-Stiftung Berlin, der internationalen Musikakademie in Liechtenstein und 2024 des Jungen Klavierpodiums Werner Haas. Im März 2023 bestand er die Aufnahmeprüfung für das Netzwerk der Young Academy of Rostock und erhält seitdem zusätzlichen Unterricht bei Matthias Kirschnereit.
Beethoven und die
Appassionata
„Ich verändere manches, verwerfe und versuche aufs Neue so lange, bis ich damit zufrieden bin; dann beginne ich in meinem Kopfe die Verarbeitung in die Breite, Enge, Höhe und Tiefe, und da ich mir bewusst bin, was ich will, so verlässt mich die zugrunde liegende Idee niemals.“
Diese prägnante Selbstcharakterisierung Beethovens lässt sich in der Sonate Nr. 23 f-Moll op. 57, der Appassionata, bis ins Detail verfolgen.
Wie so oft scheint das thematische Material nicht erfunden, sondern gleichsam einem auf geheimnisvolle Weise uns umgebenden Musikstrom entnommen. Beethovens Hauptthemen sind daher im Allgemeinen nicht zu vergleichen mit der Schönheit der Erfindungen Mozarts oder Schuberts, denn sie sind mehr Konzeption einer Keimzelle, die im weiteren Verlauf große und vielfältige musikalische Energien freisetzen wird. Hierin, in der „Verarbeitung in die Breite, Enge, Höhe und Tiefe“, also in der Inszenierung musikalischer Dramen aus einem thematischen Kerngeschehen heraus, tritt Beethovens Künstlernatur direkt und großartig zu Tage.
In den meisten seiner Kompositionen zeichnet Beethoven das Bild des Kämpfers, der am Schluss über alle Tiefen und Gefahren triumphiert. Nicht so in der Appassionata, in welcher viele die musikalische Darstellung einer Tragödie, andere die Darstellung entfesselter Naturgewalten sahen - eine spontan sehr gut nachzuempfindende Deutung, zumal Beethoven die Natur auch über alles liebte und sie neben den Werken Goethes als seine zentrale Inspirationsquelle ansah. Aber letztlich bleibt doch die große f-Moll-Sonate „die Tragödie“ schlechthin.
In op. 57 erscheinen die Dur-Landschaften wie labile Traumgebilde, sie erklingen von fern, bleiben unerreichbar. Den tragischen Verlauf vermögen sie nicht aufzuhalten. Das 2. Thema des ersten Satzes ist völlig der Substanz des 1. Themas entnommen, einer lapidaren Dreiklangbildung. Obschon auch im pp, aber nun in As-Dur mit akkordlicher Begleitung, mit leicht modifizierter Bewegungsrichtung, verbreitet es gegenüber dem gespenstischen Anfang des Werkes zunächst für einen kurzen Moment eine Atmosphäre der Erlösung und des Friedens, die durch den neapolitanischen Sextakkord im forte jäh zerstört wird.
Choralartig gesetzt ist das Thema des 2. Satzes, das in drei Variationen verarbeitet wird. Sein Charakter wirkt zwischen den exzessiven Ausbrüchen des 1. Satzes und dem dunklen Block des 3. Satzes rätselhaft verfremdet, schwer fassbar, ein Hauch von Feierlichkeit und Ruhe, der man eigentlich nicht zu trauen vermag und die Beethoven ja auch am Schluss der 3. Variation in einem gewaltig aufzuckenden verminderten Septakkord zerstören wird.
Dieser Variationssatz folgt im Grunde dem Prinzip einer Passacaglia, der Bass wird also nach dem Erklingen des Themas einfach wiederholt, der Überbau variiert. Klirrende kleine Septimen in beiden Händen, in punktierten Rhythmen ins Klavier gehämmert, eröffnen das Finale. Sie lösen eine erst mit den Schlussakkorden endende Sechzehntelbewegung aus. Schon die Finalsätze der Sonaten 6, 12, 13, 14, 18 und 22 sind in monorhythmischen Bewegungen gehalten. An vulkanischer Kraft kommt keiner der Appassionata gleich. Gleichsam wie ein Erstarren in der Bewegung gelingt kein Ausbrechen, kein Entrinnen aus einer stets in Moll auf und nieder jagenden Motorik. Formal ist der Satz dennoch eine Sonatenhauptsatzform. Am Ende der Durchführung folgt nach einer gewaltigen Klimax eine Enklave totaler Erschöpfung.
Meisterhaft auch die dramatische Zuspitzung am Ende des Werkes. Das Tempo wird nochmals verschärft: Presto. Unvermittelt treten bacchanalische Achtelrhythmen auf den Plan, werden wiederum von einem irrwitzigen Sechzehntelwirbel abgelöst, der sich in die Tiefe stürzend von zwei fortissimo-Akkorden gewalttätig ohne jedes ritardando beendet wird.
Es ist sicher ein Faszinosum dieser Sonate, dass sie trotz ihrer hemmungslosen Subjektivität und romantischen Emotionalität doch vollständig in die klassische Sonatenform hineingewoben ist, was die abgestrahlte Spannung noch um ein Vielfaches erhöht.
Schumann und die Humoreske
In Goethes Faust wird die zentrale Frage aufgeworfen, was die Welt im Innersten zusammenhalte.
Seiner Fantasie op.17 hat Schumann ein Motto Friederich Schlegels vorangestellt: „Durch alle Töne tönet im bunten Erdentraum ein leiser Ton gezogen, für den, der heimlich lauschet.“ Als die europäischen Gesellschaften in das Zeitalter der Industrialisierung aufbrachen, suchten die Romantiker eine gegen die Rationalität der Aufklärung gewandte Antwort: Es ist das Gefühl, das Irrationale, das Sinnliche, die spontan sich äußernde Emotion, nicht die Vernunft, die den Schlüssel der Erkenntnis des Seins für denjenigen bereithält, „der heimlich lauschet“…
Schumann empfand sich als, man möchte sagen, multiple Persönlichkeit und gab den verschiedenen Ausprägungen seiner Seele Namen. Florestan, der Offensive, Extrovertierte und draufgängerisch Ungestüme, Eusebius, der Introvertierte, Versonnene, Melancholische und Weiche. Meister Raro sollte dann die beiden zusammenhalten. Auch im Kreise der „Davidsbündler“, einer Gruppe junger um Schumann versammelter Künstler, die für die neue romantische Ästhetik gegen die traditionalistischen „Philister“ stritten, war es üblich sich Fantasienamen anzueignen. Schumanns Carneval op.9 endet mit dem „Marsch der Davidsbündler gegen die Philister“….
Diese Bilder und Prototypen werden sofort lebendig beim Hören der Humoreske. So beschrieb Schumann seine Arbeit an op. 20: „Die ganze Woche saß ich am Klavier, komponierte und schrieb, lachte und weinte, alles zur gleichen Zeit“.
„...wenig lustig, und vielleicht mein Melancholischstes“, nennt Schumann dann das fertige Werk. Es liegt auf der Hand, dass die Bedeutung von Humor sich seit der Zeit Schumanns gewandelt hat. Für Schumann ist Humor „die glückliche Verschmelzung von Gemütlich (im Sinn von: voller Gemüt - heute schwingt in dem Begriff eher ein leicht lethargischer Unterton mit), das Schwärmerische und Witzige“, wie aus einem seiner Briefe hervorgeht. Und so sind also Melancholie, Gemütlichkeit und Schwärmerei Dimensionen, die in der Humoreske intensiv verarbeitet sind, aber das Weinen wird eben auch durch das Lachen gebrochen und es gibt viel zu lachen in diesem Werk, es wird getanzt und gepoltert, Akzente purzeln chaotisch unter und übereinander, traute Intimitäten werden gesponnen, unvermittelt gestört um wieder zurückzukehren. Die einzelnen, quasi ineinander übergehenden Sätze des Werkes sind durch überragende Individualität gekennzeichnet und man könnte hier endlos über die kreative Fülle des unendlichen Einfallsreichtums schwärmen. Einer der genialsten Einfälle Schumanns erklingt am Ende des Werkes, wo zunächst Eusebius in einem langen Monolog quasi um sich selbst kreist. Irgendwann wird es Florestan zu bunt, er fährt in einer Aufwallung unbändiger Energie dazwischen und erzwingt einen enthusiastischen Abschluss.
Für Schumann gab es keine Distanz zwischen seinem Innersten und dem was er zu Musik formte. Ihm ging es immer um Bekenntnis vor jeder Form des Artifiziellen und auch dies ist natürlich ein durch und durch romantischer Habitus.
Haydn und seine große Es-Dur Sonate
Wie lässt sich die ungeheure Entwicklung innerhalb Haydns 62 Klaviersonaten erklären, beginnend mit sehr einfachen Kompositionen um 1750 und endend über 40 Jahre später mit den brillanten komplexen Sonaten seines Spätwerkes - in welchem das Werk des heutigen Abends eine herausragende Stellung einnimmt -, die bis heute aus den Konzertsälen nicht wegzudenken sind? - Hier muss ein kurzer Blick auf die eher untypische Biografie des Meisters und seinen absolut besonderen Charakter geworfen werden.
Aus einfachsten Verhältnissen stammend stieg er gleichsam aus der Lehmhütte zum größten Komponisten seiner Zeit auf, in seinen späten Londoner Jahren zu einem Megastar, dem allerdings jedes äußerliche Brimborium verhasst war. In den Aufzeichnungen des österreichischen Musikhistorikers Carl Ferdinand Pohl findet sich ein interessanter Passus, der sich auf seinen Charakter bezieht und unglaublich genau auch ein Wesensmerkmal der Haydnschen Musik beschreibt: "Obwohl mehr ernster, ruhiger Gemütsart, liebte es Haydn, dem Gespräch eine launige Wendung zu geben und gelegentlich eine heitere Anekdote einzuflechten. (...) Seine natürliche Bescheidenheit (...) betrachtete sein Talent nicht als sein eigenes Werk, sondern als Geschenk des Himmels, dem er sich dankbar zu bezeigen zu müssen glaubte." Er wurde gefragt, wie der unfassbare Umfang seines Werkes (104 Symphonien, 62 Klaviersonaten, 24 Opern, 14 Messen u.v.a.) zu erklären sei. Seine Antwort lautete: "Ja, sehen Sie, ich stehe früh auf..."
Haydns Tag begann um 6:30, Toilette und eigenhändige Rasur bis 8:00, falls in diesem Zeitraum ein Schüler anwesend war, wurde er nebenher unterrichtet und verbal instruiert. Frühstück um 8:00, danach Fantasieren und Ideen sammeln auf dem Instrument. Danach Niederschreiben der Ideen und eine genaue Strukturierung des Tagesablaufes, die er nur in Notfällen und widerwillig umstieß. Mittagessen um 14:00, Abendessen um 22:00, zu Bett um 23:30. In den letzten sechs Jahren seines Lebens flocht er in den Tagesablauf eine halbstündige Mittagsruhe ein. Und was die kompositorische Inspiration angeht: "...sobald ich mich angekleidet habe, falle ich auf die Knie und bete zu Gott und der Jungfrau, dass es mir wieder gelingen möge."
Inspiration, die unerwartete Wendung, ein dem Leben in einer positiven, freundlichen Naivität geöffnetes Wesen, aber auch klare Konzeption und unerschütterliche Disziplin, all diese in seiner Persönlichkeit aufscheinenden Charaktereigenschaften spiegeln sich wundervoll in seinem künstlerischen Schaffen. Vor Überraschungen ist der Hörer keine Sekunde sicher, Langeweile ist ausgeschlossen, oft wird er von tief empfundener Wärme und Freundlichkeit betört, bei genauer Betrachtung stellt er fest: alles ist intellektuell extrem präzise. Er war kein pianistisches Wunderkind. Eine kostspielige Förderung am Instrument war nicht möglich, die Eltern Wagenbauer, sie konnten nicht helfen. Haydn begann am Cembalo, durch Zusammenarbeit mit ausgezeichneten Pianistinnen, den Schwestern Auenbrugger und Therese Jansen-Bartolozzi, erweiterte er kontinuierlich seinen Horizont, griff auch die Entwicklungsstufen, die sich aus der steten Verbesserung der Instrumente ergaben, sofort auf und integrierte dies alles in seine kompositorische Arbeit.
Womit sich der Kreis bei der Beantwortung der oben gestellten Frage schließt.
Chopins Scherzo h-Moll
Chopins Scherzo h- Moll entstand um 1830/1831. Es zählt zu den extremsten und wildesten seiner Kompositionen, voll klirrender Akkordbildungen, atemlos gehetzter Prestopassagen und einem bemerkenswert aggressiven Unterton. Diese Charakteristika sollten mit seiner Lebenssituation in Einklang gebracht werden. Denn zeitgleich wurde in seiner Heimat der Warschauer Novemberaufstand blutig niedergeschlagen und Chopin - auf einer Konzertournee sich befindend - reiste von Wien über Stuttgart, wo ein Großteil des Werkes entstand, nach Paris. Aus diesem Kontext erschließt sich auch Chopins Kunstgriff, als Mittelteil in diese Welt des Aufruhrs das polnische Weihnachtslied „Schlaf, mein Jesulein, schlaf“ einzuflechten.
So entsteht ein ergreifendes und schmerzhaftes Gedenken seiner geliebten Heimat.
Skrjabin und seine 5. Klaviersonate
Alexander Skrjabin stellt der 5. Klaviersonate einen Auszug aus seinem „Gedicht der Ekstase“ voran: „Ich rufe Euch ins Leben, o geheimnisvolle Kräfte/ verschüttet in den seltsamen Tiefen/ des kreativen Geistes, schüchtern/ Schatten des Lebens bringe Euch Kühnheit“.
Zahlreiche wissenschaftliche Arbeiten haben sich bis zum heutigen Tag mit der ästhetischen Ausrichtung Skrjabins beschäftigt. Er war ein zutiefst auf transzendente Wirklichkeiten ausgerichteter Geist, der sich mit vielen philosophischen, theosophischen und theologischen Strömungen des ausgehenden 19. und beginnenden 20. Jahrhunderts auseinandersetzte und diese zu einem ganz eigenen Weltbild verarbeitete. Ist in seinen früheren Kompositionen der deutliche Einfluss von Chopin, zum Teil auch Liszt omnipräsent, so entwickelt er nach und nach eine völlig eigene Harmonik, basierend auf dem „mystischen Akkord“, der sich aus Quarten bildet. Wo man bei Rachmaninoff, Tschaikowski oder Mussorgsky sofort ein russisches Idiom heraushört, fehlt dieses bei Skrjabin, er ist stilistisch völlig auf dem Weg zu sich selbst.
Die 5. Sonate ist geprägt von einer ekstatischen Phantastik, von bis dahin ungehörten Klangbildern, Akkordschichtungen, Rhythmen und den damit verbundenen pianistischen Herausforderungen. Spätestens mit der 5. Sonate hat Skrjabin einen längst begonnenen Ablösungsprozess von seinen Vorbildern abgeschlossen und das Tor zur Moderne weit aufgestoßen.
Romuald Noll, 2024