Klavierabend am 8. Juli 2018

Luisa Schwegler (17) mit Lionel Martin (15) und Esther Hermann (19) spielten das folgende Programm:

Claude Debussy  1862-1918           

Sonate für Violoncello und Klavier d-Moll

Prologue: Lent - Sérénade: Modérément animé - Final: Animé, léger et nerveux

 

Sergej Prokofjew  1891-1953     

Sonate für Violoncello und Klavier C-Dur op. 119

Andante grave - Moderato - Allegro, ma non troppo

 

Lionel Martin, Violoncello, und Luisa Schwegler, Klavier

 

--- Pause ---

 

Joseph Haydn  1732-1809            

Sonate für Klavier Nr. 46 E-Dur Hob XVI:31

Moderato - Allegretto - Finale: Presto

 

Frédéric Chopin  1810-1849         

Sonate Nr. 3 h-Moll op. 58

Allegro maestoso - Scherzo: Molto vivace - Largo - Finale, Presto, ma non tanto, agitato

 

Esther Hermann, Klavier

Die Interpreten

Luisa Schwegler, geboren 2001 in Böblingen, erhielt mit vier Jahren ihren ersten Violinunterricht bei Elisabeth Palacios an der Sindelfinger Musikschule. Ein Jahr später begann sie dort auch mit dem Klavierunterricht bei Olga Tschechlov. Seit 2008 wird sie an der Stuttgarter Musikschule von Monika Giurgiuman am Klavier sowie von Ulrike Abdank und ab 2015 von Simone Riniker Maier an der Violine ausgebildet. Mit beiden Instrumenten ist sie Mitglied der Begabten- und Studienvorbereitenden Klasse und behandelt bis heute beide Instrumente gleichwertig.

 

Seit 2010 nahm Luisa regelmäßig mit beiden Instrumenten an Wettbewerben teil und erzielte Preise beim Tonkünstlerverband, beim Bundeswettbewerb Jugend musiziert und in in Usti nad Orlici in Tschechien. Sie spielte und spielt in mehreren Orchestern mit und trat auch als Solistin hervor. Beim Bundeswettbewerb 2018 errang sie drei 1. Preise: als Geigerin in der Kategorie Klavier und ein Streichinstrument, als Pianistin in derselben Kategorie, sowie als Geigerin in einem Oktett in der Kategorie Besondere Ensembles. Luisa ist Preisträgerin des Sparkassenpreises Baden-Württemberg in den Wertungen Violine Solo, Klavier Solo, Klavier Kammermusik und Streicher Ensemble. Sie ist Stipendiatin der Dr. Klaus Lang und der Ruth-Ilse Lenz Stiftung. 2018 ist Luisa auch Stipendiatin des Jungen Klavierpodiums Werner Haas. Nach dem Abitur am Albert-Einstein-Gymnasium in Böblingen möchte sie Musik studieren und strebt eine Stelle als Konzertmeisterin an.

Lionel Martin wurde 2003 in Filderstadt geboren und verbrachte seine ersten zwei Lebensjahre in Perth/Australien. Im Alter von fünf Jahren begann er mit dem Cellospiel an der Tübinger Musikschule bei Joseph Hasten, der ihn auch heute noch unterrichtet. Bei den Bundeswettbewerben Jugend musiziert erzielte er bereits neun 1. Preise mit Höchstpunktzahl in den Kategorien Violoncello solo, Klavier-Kammermusik, Streichquartett und Besondere Ensembles, darüber hinaus zahlreiche Sonderpreise. Seit 2016 ist er Stipendiat der Jürgen Ponto Stiftung und seit 2017 Stipendiat der Anne-Sophie Mutter-Stiftung. Lionel besucht den Musikzug des Wildermuth-Gymnasiums in Tübingen.

 

Neben solistischen Auftritten gilt Lionels besondere Liebe der Kammermusik: Mit seinem Klaviertrio und seinem Streichquartett ist er vielen Einladungen im In-und Ausland gefolgt. Im November 2016 debütierte er mit dem Tübinger Kammermusikkreis. Es folgten Auftritte mit dem Tübinger Ärzteorchester, den Stuttgarter Philharmonikern in der Liederhalle und den Heidelberger Sinfonikern beim Schwetzinger Mozartfest. 2017 führte ihn das Cello-Ensemble der Deutschen Stiftung Musikleben in den großen Saal der Elbphilharmonie. Seit 2018 spielt er ein Cello von Niccolo Bianchi (Genua, 1871), das ihm von der Deutsche Stiftung Musikleben im Rahmen das Wettbewerbs des Deutschen Musikinstrumentenfonds zugesprochen wurde.

Esther Mariko Hermann, geboren 1999 in Stuttgart, wird seit 2005 vom Pianisten und Pädagogen Romuald Noll an der Stuttgarter Musikschule unterrichtet, wo sie 2011 in die Begabten- und Studienvorbereitende Förderung aufgenommen wurde. Seit 2006 nimmt sie zudem Unterricht im Fach Violine, zunächst bei Katharina Künstler, ab 2010 bei Holger Koch und seit 2015 bei Julia Galic.

 

In den Jahren 2007 bis 2011 erhielt sie mehrere 1. und 2. Preise bei den Landeswettbewerben von Jugend musiziert sowohl mit der Violine als auch am Klavier. 2013 folgte ein 2. Bundespreis in der Wertung Violine-Solo, 2014 ein 3. Bundespreis in der Kategorie Klavier-Solo. 2015 erspielte sie sich in der Wertung Streichinstrument und Klavier als Pianistin einen 1. Bundespreis und einen Sonderpreis der Deutschen Stiftung Musikleben, sowie als Geigerin einen 2. Bundespreis. 2016 folgten mit der Violine ein 1. Bundespreis in der Wertung Klavier-Kammermusik sowie ein 2. Bundespreis in der Wertung Solo-Violine. 2017 schließlich wurde sie mit einem 1. Bundespreis in der Kategorie Klavier-Solo ausgezeichnet.

 

Esther war Preisträgerin beim Internationalen Rotary Wettbewerb für junge Pianisten in Essen in den Jahren 2013 und 2017. Sie besuchte Meisterkurse für Violine bei Anke Dill, Heime Müller, Stefan Hempel und Ingolf Turban sowie für Klavier bei Matthias Kirschnereit und Konrad Elser. Sie war als Geigerin Mitglied des Landesjugendorchesters Baden-Württemberg, des Schülersinfonieorchesters Stuttgart und des Jungen Kammerorchesters Stuttgart. Seit 2016 ist sie Mitglied im Bundesjugendorchester.

 

2015 trat sie als Solistin im Violinkonzert von PeterTschaikowsky mit dem Daimler-Sinfonieorchester sowie in den beiden Violinkonzerten von Felix Mendelssohn-Bartholdy mit dem Göppinger Kammerorchester und der Orchestervereinigung Möhringen auf. 2016 und 2017 war sie Solistin im 2. Klavierkonzert von Sergej Rachmaninoff mit der Orchestervereinigung Sindelfingen und dem Orchester des Eberhard-Ludwigs-Gymnasiums, sowie im 3. Klavierkonzert von Ludwig van Beethoven mit dem Orchester der Stuttgarter Musikfreunde.

 

Esthers große Leidenschaft ist Kammermusik in jeder Form - und gutes Essen, am liebsten japanisch. Nachdem sie früher fast ihre ganze Freizeit auf dem Einrad und dem Trampolin verbrachte, stehen heute Unternehmungen mit Freunden und Konzertbesuche an erster Stelle. Seit 2013 besucht sie am Eberhard-Ludwigs-Gymnasium den Zug für musikalisch Hochbegabte. Esther ist 2018 Stipendiatin des Jungen Klavierpodiums Werner Haas.

Zu den Werken

Das Programm des heutigen Abends lädt ein, die Geschichte der Sonate in der Musikgeschichte kurz zu betrachten. Der Name "Sonate" durchwandert die Jahrhunderte, aber er bezeichnet z.B. Ende des 17. Jahrhunderts etwas völlig anderes als etwa zu Haydns, Beethovens, Liszts oder Prokofiews Zeit.

 

Die ersten Kompositionen unter dem Oberbegriff "Sonate" entstehen in Venedig Ende des 16. Jahrhunderts. Abgeleitet vom lateinischen "sonare" bezeichnet Sonate zunächst einfach jene Musik, die – im Gegensatz zur gesungenen Musik, der Kantate (lateinisch: singen) – rein instrumental dargestellt wird. Eine feststehende innere Form ist dadurch nicht bezeichnet. Knapp 100 Jahre später hat sich die Form der Barocksonate herauskristallisiert, hier unterschieden in die Kammersonate, die Sonata da camera, und die Kirchensonate, die Sonata da chiesa. Während jene aus einer Folge von Tanzsätzen sich zusammensetzt, folgt diese bereits einer 4-sätzigen Form: Langsam – Schnell – Langsam – Schnell. Die Sonata da chiesa war besetzt als Trio und ist hier Vorläufer des Klaviertrios. Bach übertrug die drei Stimmen auf das Cembalo und ein Melodieinstrument (Violine, Flöte, Gambe) und schuf damit die Anfänge der Duosonate.

 

Das ist der Ausgangspunkt zum Ende des Barockzeitalters. Und hier ist nun die Entwicklung einer anderen Gattung zu beachten, welche jene der Sonate – und nicht nur der Sonate – maßgeblich infiltrieren und verändern wird: die Oper.

 

Durch Claudio Monteverdi zu großer, früher Blüte geführt, ist ihr Einfluss auf die Musikentwicklung ungeheuerlich und lässt sich an dieser Stelle unmöglich auch nur annähernd darstellen. Allem voran ist es natürlich die musikalische Inszenierung eines dramatischen Geschehens, welche letztendlich von der Oper ausgehend ganz entscheidend die klassische Sonate aus den barocken Vorbildern hervorgehen lässt und sich in der Sonatenhauptsatzform perfekt widerspiegelt.

 

Die entscheidende Idee der Sonatenhauptsatzform, welche in aller Regel jene des ersten Satzes ist, beruht in der Vorstellung, der "Exposition" zweier Themen, man könnte auch sagen, Personen, Protagonisten etc., die gegensätzlichen Charakters sind, auch in verschiedenen Tonarten erklingen. Im weiteren musikgeschichtlichen Verlauf werden es bisweilen auch dritte oder sogar vierte Themen sein. Diese treten in der Durchführung in alle möglichen Beziehungen zueinander, seien sie konfliktreich oder nicht: Die Durchführung ist der Ort der grössten Überraschungen, der Unberechenbarkeit des Geschehens, des Dramas. In der Reprise werden die Abläufe der Exposition, jedoch in anderen Tonarten, wieder aufgenommen. Die Sonatenform umfasst 3 oder 4 Sätze, der dem 1. Satz folgende 2. Satz ist langsam, der 3. Satz ein Menuetto oder Scherzo, möglich ist hier auch eine Umkehrung der Reihenfolge, der 4. Satz ein Rondo.

 

Soweit die Regel der grundsätzlichen Form, deren Kenntnis auch deswegen wichtig ist, weil dann Abweichungen und Freiheiten besser verstanden werden können, die sich große Komponisten von jeher herausgenommen haben, um damit aus einem Spannungsverhältnis schöpfend ihre Aussagen noch wirksamer zu illustrieren. Mit und in der Wiener Klassik steigt die Sonatenform zur zentralen Gattung einer Epoche auf und sie bleibt bedeutend bis zum Beginn der Moderne.

 

Joseph Haydn ist sicher der Gründungsvater der Symphonie und des Streichquartetts, seine entscheidenden, epochalen Leistungen in diesen Gattungen haben ein wenig den Blick darauf verstellt, dass ohne ihn auch die klassische Klaviersonate niemals ihren Weg genommen hätte.

 

Beethoven, der später die Gattung noch einmal revolutionierte, widmete seine ersten Sonaten op.2/1-3 seinem Lehrer Joseph Haydn im klaren Bewusstein dieser Tatsache. Zur selben Zeit legte Haydn seine letzten Sonaten vor, als Meisterwerke höchster Vollendung und pianistischen Glanzes. Aber wo lag Haydns Ausgangspunkt?

 

Aus einfachsten Verhältnissen stammend stieg er gleichsam aus der Lehmhütte zum größten Komponisten seiner Zeit auf, in seinen späten Londoner Jahren zu einem Megastar, dem allerdings jedes äußerliche Brimborium verhasst war. In den Aufzeichnungen des österreichischen Musikhistorikers Carl Ferdinand Pohl findet sich ein interessanter Passus, der sich auf seinen Charakter bezieht und unglaublich genau auch ein Wesensmerkmal der Haydnschen Musik beschreibt: "Obwohl mehr ernster, ruhiger Gemütsart, liebte es Haydn, dem Gespräch eine launige Wendung zu geben und gelegentlich eine heitere Anekdote einzuflechten. (...) Seine natürliche Bescheidenheit (...) betrachtete sein Talent nicht als sein eigenes Werk, sondern als Geschenk des Himmels, dem er sich dankbar zu bezeigen zu müssen glaubte." Er wurde gefragt, wie der unfassbare Umfang seines Werkes (104 Symphonien, 62 Klaviersonaten, 24 Opern, 14 Messen u.v.a.) zu erklären sei. Seine Antwort lautete: "Ja, sehen Sie, ich stehe früh auf..."

 

Haydns Tag begann um 6:30, Toilette und eigenhändige Rasur bis 8:00, falls in diesem Zeitraum ein Schüler anwesend war, wurde er nebenher unterrichtet und verbal instruiert. Frühstück um 8:00, danach Fantasieren und Ideen sammeln auf dem Instrument. Danach niederschreiben der Ideen und eine genaue Strukturierung des Tagesablaufes, die er nur in Notfällen und widerwillig umstieß. Mittagessen um 14:00, Abendessen um 22:00, zu Bett um 23:30. In den letzten sechs Jahren seines Lebens flocht er in den Tagesablauf eine halbstündige Mittagsruhe ein. Und was die kompositorische Inspiration angeht: "...sobald ich mich angekleidet habe, falle ich auf die Knie und bete zu Gott und der Jungfrau, dass es mir wieder gelingen möge."

 

Inspiration, die unerwartete Wendung, ein dem Leben in einer positiven, freundlichen Naivität geöffnetes Wesen, aber auch klare Konzeption und unerschütterliche Disziplin, all diese in seiner Persönlichkeit aufscheinenden Charaktereigenschaften spiegeln sich wundervoll in seinem künstlerischen Schaffen. Vor Überraschungen ist der Hörer keine Sekunde sicher, Langeweile ist ausgeschlossen, oft wird er von tief empfundener Wärme und Freundlichkeit betört, bei genauer Betrachtung stellt er fest: alles ist intellektuell extrem präzise. Er war kein pianistisches Wunderkind. Eine kostspielige Förderung am Instrument war nicht möglich, die Eltern Wagenbauer, sie konnten nicht helfen. Haydn begann am Cembalo, durch Zusammenarbeit mit ausgezeichneten Pianistinnen, den Schwestern Auenbrugger und Therese Jansen-Bartolozzi, erweiterte er kontinuierlich seinen Horizont, griff auch die Entwicklungsstufen, die sich aus der steten Verbesserung der Instrumente ergaben, sofort auf und integrierte dies alles in seine kompositorische Arbeit. In seinen 62 Klaviersonaten lässt sich eine ungeheuere Entwicklung nachvollziehen, beginnend mit sehr einfachen Kompositionen 1765 und endend über 30 Jahre später mit den brillanten komplexen Sonaten seines Spätwerkes, die bis heute aus den Konzertsälen nicht wegzudenken sind, eine Entwicklung, die nur mit grosser, ausdauernder Disziplin zu erreichen war.

 

Eine völlig gegensätzliche Natur begegnet uns in Claude Debussy, einem widersprüchlichen und widersprechenden Künstler, einem Regelbrecher und gleichzeitigem Schöpfer einer neuen Ästhetik. Er eckte gerne an, fiel auf, verkehrte in den Kreisen der Pariser Bohème, nicht mit Musikern, sondern vor allem Malern. Seine Lehrer hatten es schwer mit ihm und es gibt viele Zeugnisse seines Widerspruchsgeistes, er hat eigentlich sofort alles hinterfragt, was ihm als Lernziel vorgegeben wurde. Bekannt ist zum Beispiel der Dialog mit seinem Lehrer César Franck: "Modulieren Sie, modulieren Sie!" – "Warum? Wenn ich mich gerade wohlfühle in einer Tonart?“ Die Liste der von ihm provozierten Eklats ist lang und lebenslang. Zur Preisverleihung des Prix de Rome erschien er nicht, sein Preisträgerkonzert mit eigenen Werken sagte er ab, die Villa Medici, exklusive Künstlerresidenz der Prix de Rome-Stipendiaten und Sehnsuchtsort der Pariser Künstlerelite, bezeichnete er als „Spleenfabrik“ usw. Zur deutsch-österreichischen Kultur grenzte er sich ab, bezeichnete sich als "musicien francais", der beweisen wollte, "dass 30 Millionen boches den französischen Geist nicht umbringen können." Gleichzeitig gab er im berühmten „Fragebogen Marcel Prousts“ als Lieblingskomponist Bach und Wagner an, die er genauestens studiert hatte.

 

Aber letztendlich gelangte er unter dem Eindruck fernöstlicher und spanischer Musik der Pariser Weltausstellung 1889 zu einer neuen Musikauffassung, die er einmal so erklärt hat: "Die Musik ist eine geheimnisvolle Mathematik, deren Elemente am Unendlichen teilhaben. Sie lebt in der Bewegung der Wasser, im Wellenspiel wechselnder Winde, nichts ist musikalischer als ein Sonnenuntergang! Für den, der mit dem Herzen schaut, ist das die beste Entwicklungslehre, geschrieben in jenes Buch, das von Musikern nur wenig gelesen wird, das der Natur." Debussys Musik ist voller exotischer Klänge, er verwendet auch besondere harmonische Mittel wie Pentatonik, Ganztonleiter und neue Akkordkonstruktionen.

 

In dem oben genannten Fragebogen gibt Debussy auf die Frage: was wären Sie am liebsten geworden, die Antwort: Maler, auf die Frage: wenn nicht Sie selbst, wer würden Sie sein wollen, die Antwort: Seemann (das Meer stand für Debussy als Inbegriff der Natur).

 

Wenn Debussy plante, sechs Sonaten für Klavier und Melodieinstrumente zu schreiben, so geschah dies nicht, um eine Tradition zu bedienen, von der er sich zuvor distanziert hatte. Denn im Grunde genommen kehrt er zum Ausgangspunkt der Sonatengeschichte zurück, als die Sonate einfach Musik bezeichnete, die auf Instrumenten vorgetragen wird, ohne festgefügte, vorgegebene Form, sondern vielmehr entstehend aus der Beobachtung, aus dem Hören "mit dem Herzen". In Debussys Cellosonate sind ohne Frage dem Instrument neue Welten erschlossen, es darf singen, flüstern, scherzen und ironisieren, tanzen, kratzen und poltern. Der Klavierpart kann nur von klangsensiblen und fantasievollen Musikern bewältigt werden. Er birgt einige Schwierigkeiten. Debussy forderte: „Der Pianist sollte nie vergessen, daß er nicht gegen das Cello ankämpfen soll.“ Diese Herausforderung macht die Aufgabe nicht leichter, im Gegenteil.

 

Auch Prokofiew folgt in der Konzeption seiner Sonate für Cello und Klavier einem älteren Vorbild, jenem der Sonata da chiesa, also der Satzfolge: Langsam, Schnell, Langsam, Schnell. Ähnlich wie Haydn hervorragende Pianistinnen, zog Prokofiew den genialen Cellisten Rostropowitsch hinzu, um die Möglichkeiten des Instrumentes optimal auszuschöpfen.

 

In seinen grossen Klaviersonaten war Prokofiew eng auf den Spuren Beethovens gewandelt. Konsquente motivische Arbeit und Verflechtung des gesamten Werkes, extreme Dramatisierung. In der Sonate op.119 weicht dieser Stil einer sehr viel lyrischer geprägten Aussage. Als tragende Charakteristika seiner Kunst hatte Prokofiew stets Rhythmus, Tanz, Lyrik und Sarkasmus bezeichnet. Die rhythmisch aggressive, motorische Gewalt vieler seiner großen Werke und auch deren exzessiver sarkastischer Grundton sind nun in Opus 119 stark bis völlig zurückgedrängt. Statt der engen motivischen Verarbeitung in der Tradition Beethovens lässt Prokofiew immer neue, herrliche Themen aufblühen und folgt darin eher Mozart. So verströmt das Werk eine freundliche, dem Leben positiv zugewandte Atmosphäre, was am Ende eines schweren und bewegten Lebens besonders anrührend ist. Man hat den Eindruck, dass da jemand die entscheidenden Konflikte ausgetragen hat und nun den befreiten und befreienden Blick auf schönere und bessere Welten richtet.

 

Die h-Moll Sonate Chopins folgt völlig den Formschemata der klassischen Sonate, füllt sie aber mit romantischem Feuer und Geist. Das dunkle Maestoso des ersten Themas, die Schönheit und romantische Sehnsucht des 2. Themas : wie könnte man die geforderte Gegensätzlichkeit der Themen besser treffen. Der Prozess des "per aspera ad astra", des "durch die Beschwernisse zu den Sternen" wird mit unvergleichlicher Intensität entfaltet und spannt über das Werk einen riesigen Bogen. Die Rondoform des Finales nutzt Chopin, um nochmals zwischen den Polen hell und dunkel zu pendeln, das Licht behält strahlend die Oberhand. Der farbenreich schillernde, legendäre Tonsatz der Sonate bringt in einer vollendeten Schönheit und Meisterschaft der Stimmführung das Klavier einzigartig zum Klingen.

 

Romuald Noll, 2018

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